Das Team fordert daher, alternative Produkte wie Tabakerhitzer, E-Zigaretten und tabakfreie Nikotinprodukte als Hilfsmittel zur Senkung der Raucher/-innenzahlen anzuerkennen. „Es ist dringend geboten, den bestehenden Präventions- und Regulierungsbemühungen das Instrumentarium der Tobacco Harm Reduction an die Seite zu stellen“, fordert Stöver. Die Information der Bevölkerung bezüglich dieser erheblichen Risikoreduktion sei allerdings mangelhaft, insbesondere unter Raucherinnen und Rauchern. „Eine Befragung des Bundesinstituts für Risikobewertung (BfR) aus dem Jahr 2019 offenbarte alarmierende Wissenslücken: 61 Prozent der Befragten schätzen das gesundheitliche Risiko der E-Zigarette genauso, höher oder sogar viel höher im Vergleich zur Tabakzigarette ein“, so Stöver. Nach aktueller Risikoeinschätzung, unter anderem durch das BfR sowie Public Health England, sind E-Zigaretten und Tabakerhitzer allerdings erheblich weniger schädlich als fortgesetztes Rauchen und daher zur Risikoreduktion geeignet.
Die Sorge, E-Zigaretten fungierten jungen Menschen und Nichtraucherinnen und Nichtrauchern als Einstieg in eine „Raucherkarriere“, kann Stöver nachvollziehen. „Aktuelle Zahlen aus Deutschland zeigen erfreulicherweise allerdings keine Hinweise auf einen solchen Effekt: Der Anteil von jugendlichen Nutzerinnen und Nutzern von E-Zigaretten und Tabakerhitzern ist sehr gering“, bemerkt Stöver. Eine Deutsche Befragung zum Rauchverhalten (DEBRA-Studie) von 2018 hat ergeben, dass E-Zigaretten in Deutschland nur sehr selten von Personen konsumiert werden, die noch nie Tabak geraucht haben. „Unter 12- bis 17-jährigen Jugendlichen stellen Verbrennungsprodukte wie herkömmliche Zigaretten und Shisha das größere Problem dar“, sagt Stöver in Bezug auf eine aktuelle Umfrage der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA). Die historisch niedrige Quote an rauchenden Jugendlichen sei wahrscheinlich der beste Hinweis darauf, dass der befürchtete Gateway-Effekt nicht zu beobachten sei, meint Stöver. Weltweit habe der Gebrauch von E-Zigaretten und Tabakerhitzern gar den Rückgang der Anzahl von jugendlichen Raucherinnen und Rauchern beschleunigt. „Es findet also nicht die befürchtete Renormalisierung des Rauchens statt, sondern tatsächlich eine Denormalisierung des Rauchens von Tabakzigaretten“, stellt Stöver fest.
Er empfiehlt auch Betrieben, ihre rauchenden Arbeitnehmer/-innen auf alternative Produkte zu herkömmlichen Zigaretten hinzuweisen. Immerhin betragen die direkten und indirekten Kosten des Rauchens für Unternehmen in Deutschland pro Jahr 56,14 Milliarden Euro. „Das allein sollte Grund genug sein, im Rahmen des betrieblichen Gesundheitsmanagements neben anderen Rauchstoppmethoden auch den Umstieg auf Produkte ohne Tabakverbrennung bekannt zu machen“, sagt Stöver.
Zur Person: Prof. Dr. Heino Stöver ist Dipl.-Sozialwissenschaftler und Professor für sozialwissenschaftliche Suchtforschung am Fachbereich Soziale Arbeit und Gesundheit der Frankfurt UAS. Er leitet seit 20 Jahren das Institut für Suchtforschung Frankfurt am Main (ISFF). Sein Tätigkeitsschwerpunkt ist die sozialwissenschaftliche Suchtforschung. Stövers Forschungsschwerpunkte sind von großer gesellschaftlicher Bedeutung, da die Zielgruppen seiner Forschung gesundheitlich und teils sozial stark belastet sind und oft zu spät behandelt werden; die späte Behandlung verursacht hohe Kosten und kann zum Tod führen. Am Fachbereich Soziale Arbeit und Gesundheit der Frankfurt UAS leitet er den Master-Studiengang Suchttherapie und Sozialmanagement in der Suchthilfe.
Zum Institut für Suchtforschung Frankfurt am Main (ISFF): Das Institut für Suchtforschung an der Frankfurt UAS arbeitet seit 1997 an der Weiterentwicklung zielgruppenspezifischer und lebensweltnaher Prävention, Beratung und Behandlung von Suchterkrankungen. Es erforscht Sucht in ihren verschiedenen Erscheinungsformen sowie die mit Sucht in Zusammenhang stehenden Probleme und Aspekte. Das Institut fördert den Ausbau von interdisziplinären Beziehungen zu Kooperationspartnern auf nationaler und internationaler Ebene. Forschungsprozesse und -resultate finden in Studium und Lehre Berücksichtigung.
Kontakt: Frankfurt University of Applied Sciences, Fachbereich 4: Soziale Arbeit und Gesundheit, Prof. Dr. Heino Stöver, Telefon: +49 69 1533-2823, E-Mail:
Die Frankfurt University of Applied Sciences zeichnet sich durch angewandte Wissenschaft, hohe Internationalität und gelebte Vielfalt aus. Fragen aus der Praxis erhalten wissenschaftlich fundierte Antworten, und Forschungsergebnisse finden einen direkten Weg in die Gesellschaft. Durch Partnerschaften mit weltweit rund 200 Hochschulen ist die Frankfurt UAS in einer globalen Bildungswelt gut vernetzt. Vier Fachbereiche bieten 72 Studiengänge mit technischer, wirtschaftlich-rechtlicher und sozialer Ausrichtung an. Ein vielfältiges Weiterbildungsprogramm ermöglicht auch Externen berufsbegleitendes, lebenslanges Lernen. Zudem wird anspruchsvolle, inter- und transdisziplinäre Forschung in außergewöhnlichen Fächerkombinationen betrieben. Im Dialog mit Partnern aus Wirtschaft, Verbänden und Institutionen ist die Frankfurt UAS innovative Entwicklungspartnerin, um gemeinsam zukunftsweisende Lösungen zu generieren. Die enge Verknüpfung von Forschung und Lehre mit der Praxis qualifiziert die Studierenden für einen erfolgreichen Einstieg in attraktive Berufsfelder und gewährleistet ihre Anschlussfähigkeit im Berufsalltag. Der Campus der 1971 als Fachhochschule Frankfurt am Main – University of Applied Sciences gegründeten Hochschule liegt zentrumsnah im Herzen Frankfurts.
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